Verbieten wir die Demokratie!?

Auf aktuelle Berichterstattung einzugehen, besonders wenn sie mit Rechtsextremismus zu tun hat, ist immer eine Gratwanderung. Ich habe das Gefühl, diese Diskussionen finden immer am Rande des Extremen statt, um die tatsächlich wichtigen Dinge zu verschleiern.

So sind die tatsächlichen Hintergründe der furchtbaren Anschlagserie rechter Verbrecher noch gar nicht richtig geklärt, da häufen sich auch schon die lauten Schreie mancher (oder immer derselben??) Politiker nach einem Verbot der NPD. In manchen Foren wird nach dem Verbot rechter wie linker Extrem-Gruppen gerufen und auch der Kapitlismus erscheint auf der Verbotsliste.

Um es von vornherein klarzustellen: Ich bin gegen jegliche Form von Extremismus, der unseren demokratischen Staat angreift! Dazu gehören genauso rechte wie linke Extremgruppierungen, wie auch die Unterwanderung durch Scientologen oder religiöse Fundamentalisten, die einen religionsgeprägten Staat haben wollen.

Aber ich lebe in einer Demokratie auf Grundlage unserer Verfassung, unseres Grundgesetzes. Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Religionsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung sind darin festgeschrieben. Diese Rechte stehen jedem Bürger unseres Landes zu. Und für deren Erhalt kämpfe ich!

Diese Rechte stehen auch den nationalistischen Vordenkern zu, sie stehen den extrem Linken zu, der Scientologie und auch religiösen Fanatikern. Sie sind Grundrechte auf die unser Staat aufgebaut ist.

Verbieten? Das würde diese Rechte, für die ich kämpfe enorm einschränken. Nur dass wir uns recht verstehen: Natürlich bin ich FÜR ein Verbot von Gruppierungen, die nachweislich die demokratischen Rechte, die Verfassung und das Grundgesetz angreifen. Doch genau an dieser Stelle beginnt die Gratwanderung. Ab wann ist eine freie Meinungsäußerung eine strafbare Handlung?

Ich möchte diese Entscheidung den Leuten überlassen, die das juristisch genau definieren können. Dabei kann ich nicht helfen. Aber ist diese Entscheidung, ob eine Gruppierung verboten werden soll oder nicht, tatsächlich ausschlaggebend? Würden rechte Anschläge und Straftaten tatsächlich aufhören, wenn wir die NPD (zB.) verbieten? So blauäugig kann doch wirklich niemand sein, oder?

Die Schreie nach Verboten sind doch in Wirklichkeit nur Ablenkungsmanöver, die von der wirklichen Problematik ablenken sollen. Wer sind die Menschen, die sich zu den ideologisch extremen Gruppierungen hingezogen fühlen? Was treibt die Menschen in die Fänge dieser Ideologien?

In erster Linie wohl unsere Unfähigkeit (ja, ich schliesse mich da mit ein) diesen Menschen Perspektiven aufzuzeigen; sie mit ihren Problemen und Fragen ernst zu nehmen; ihnen Vorbilder zu sein und ihnen zu helfen ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Es sind die Politiker, die am lautesten nach Verboten schreien, die eine intransparente Politik auf dem Rücken und zum Schaden des ganzen Volkes betreiben. Die den Bezug zum „Mann auf der Strasse“ schon lange verloren haben und ihn nicht mal als unzufriedenen Bürger erkennen, wenn er zu Tausenden tatsächlich auf der Strasse steht.

Es sind die Eltern, Lehrer, Jugendleiter, Vorbilder,
die mit dem Kleinkind an der Hand bei rot über die Strasse gehen („na so schlimm ist das ja nun auch wieder nicht“);
die einfach mal an blaugeschlagenen Kindern vorbeischauen oder die Schreie der Kinder im Nachbarhaus nicht hören („was geht mich das an?“);
die zuschauen wenn Kinder und Jugendliche gemobbt oder gar angefeindet werden („ach das sind Kinder, da kommt sowas schon mal vor, die vertragen sich schon wieder“);
die nicht zuhören können wenn die Kinder und Jugendlichen Sorgen oder Probleme haben („du, jetzt hab ich keine Zeit für sowas, vielleicht später“);
genau die sind es, die jetzt nach dem Verbot extremistischer Gruppierungen rufen.

Dann kommt jemand, der all das (scheinbar) ernst nimmt, der Grenzen setzt, Vorbild ist und hilft, wenn mal eine Durststrecke kommt oder ein Problem auftaucht – und der sehr genau erklärt, wie es „richtig“ laufen müßte. Würden wir nicht alle mit dem mitlaufen, der uns am Besten versteht – wenn es auch nur so scheint?

Ein Verbot bringt uns nicht weiter. Wir müssen endlich verstehen, dass es an uns liegt, an unserem Vorbild, an unserem Verständnis und Einhalten der Regeln und Gesetze, an unserem gesellschaftlichen Auftrag, an unserer Zivilcourage, an der Transparenz und Verständlichkeit unserer Politik, wenn wir den extremistischen Strömungen entgegenwirken wollen.

Die Leute, die die verheerenden Anschläge durchgeführt haben sind schlichtweg Verbrecher. Das sie möglicherweise aufgrund rechter Ideologien diese Verbrechen begangen haben ändert nichts an dieser Tatsache. Sie sind „nur“ Verbrecher!

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  1. Michael Ke sagt:

    Der letzte Satz dieses Analyse-Versuchs zeigt dessen grundsätzlichen Fehler: Diese Nazis sind nicht „schlichtweg“ oder „nur“ Verbrecher, es sind eben organisierte Kriminelle, deren Organisationsstruktur es zu zerschlagen gilt.
    Und es sind Faschisten, die seit 1990 für mindestens 182 Tote verantwortlich sind, nicht irgendwelche „ideologisch extremen Gruppierungen“. Nach und nach treten die personellen wie organisatorischen Verbindungen zwischen NPD und ihren terroristischen Ablegern zu Tage, und ernsthafte Ermittlungsbemühungen haben gerade erst begonnen.

    „Es sind die Eltern, Lehrer, Jugendleiter, Vorbilder, die mit dem Kleinkind an der Hand bei rot über die Strasse gehen…genau die sind es, die jetzt nach dem Verbot extremistischer Gruppierungen rufen.“
    Einen inneren Zusammenhang kann ich ich hier nicht erkennen, und dessen Konstruktion ist im besten Fall als naiv anzusehen.

    Als Beispiel für eine differenziertere Analyse möchte ich diesen „Zeit“-Artikel empfehlen:
    http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-11/schroeder-extremismus-kommentar

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